Seit September 2021 entstehen auf der Bülow- und Kleiststraße zwischen Dennewitzstraße und An der Urania Radverkehrsanlagen. Wir wollen sie uns genauer ansehen und bewerten, sowie mit dem Soll vergleichen, welches im Mobilitätsgesetz und in den geltenden Vorgaben für die Radverkehrsplanung definiert ist.
Die Ausgangslage für den Radverkehr war vor Baubeginn ja sehr schlecht. Bülow- und Kleiststraße besaßen keinerlei Radverkehrsanlagen. Radfahrende fuhren links von parkenden Kraftfahrzeugen (Gefahr von Unfällen an unachtsam geöffneten Autotüren) und mitten im Kraftfahrzeugverkehr. Oft wurden sie mit geringem Abstand überholt oder von Abbiegenden an Kreuzungen und Einmündungen geschnitten, behindert oder gefährdet.
Das Soll
Bülow- und Kleiststraße sind Hauptverkehrsstraßen. Darüber hinaus gehört diese Verbindung zum Radvorrangnetz lt. Netzplan der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. An das Radvorrangnetz werden höhere Ansprüche gestellt, hier ein Auszug zu den vorgeschriebenen Qualitätsstandards:
- Regelbreite der Radverkehrsanlage 2,5 m (Einrichtungsverkehr), Regelbreite 4,0 m (Zweirichtungsverkehr).
- Führungsform i. d. R. geschützter Radfahrstreifen oder baulich getrennter Radweg.
- Oberflächen aus Asphalt oder Ortbeton.
- Es sollen nur in Ausnahmefällen Störungen durch Kraftfahrzeuge auf gleicher Fläche auftreten.
- Die Zeitverluste aus Anhalten und Warten sollen im Mittel 35 Sekunden je Kilometer nicht überschreiten. Die Signalisierung des Radverkehrs an ausgewählten Lichtsignalanlagen soll zur Verringerung von Zeitverlusten optimiert werden, z. B. durch Grüne Wellen oder Priorisierung für Radfahrende.
- Die Strecken im Radvorrangnetz sollen ein besonders hohes Niveau der subjektiven Sicherheit erreichen.
- Bussonderfahrstreifen soll nur in Ausnahmefällen und möglichst nur dann zum Einsatz kommen, wenn es auf diesen keinen weiteren Kraftverkehr (z. B. Taxen) gibt.
Das Ist (Teil 1): Die Fahrtrichtung von Ost nach West
Bülowstraße am Knoten Dennewitzstraße
Art und Schutz: Neuer temporärer Zweirichtungsradweg mit einer Breite von 2,0 m auf der Nordseite der Bülowstraße.
Bewertung: Der neue Zweirichtungsradweg schließt nach Süden an den vorhandenen Zweirichtungsradweg Bülowstraße – Dennewitzstraße an. Die Fahrbeziehung Bülowstraße (West) – Dennewitzstraße ist auch möglich – soweit gut. Aber die Infrastruktur für die wichtige Fahrbeziehung Bülowstraße (West) – Gleisdreieckpark fehlt komplett. Das ist im Radverkehrsnetz eigentlich DIE durchgehende Verbindung, welche zur Auswahl der Bülowstraße als Vorrangnetzteil führte – nicht gut (aber verständlich, da bei temporären Markierungen keine Eingriffe in die baulichen Anlagen erfolgen sollen, hier in die Verkehrsinsel in der Dennewitzstraße.)
Die Breite der Radverkehrsanlage ist mit 2,0 m viel zu klein, 4,0 m wären im Vorrangnetz vorgeschrieben.
Die subjektive Sicherheit ist unseres Erachtens auf diesem Zweirichtungsradweg nicht allzu hoch, da insbesondere in der Fahrtrichtung West nach Ost an der Einmündung Dennewitzstraße die Gefahr besteht, vom motorisierten Verkehr aus der Dennewitzstraße „übersehen“ zu werden.
Fazit: Zum temporären Testen ist der Zweirichtungsradweg sicher geeignet. Aber: Die Ziele des Mobilitätsgesetzes und Vorgaben für die Radverkehrsplanung sind mit der temporären Anlage in diesem Abschnitt nicht erfüllt. Sie sollte für die endgültige Anlage weiterentwickelt werden.
Bülowstraße Nordseite zwischen Dennewitzstraße und Steinmetzstraße
Art und Schutz: Neuer temporärer geschützter Zweirichtungsradfahrstreifen mit einer Breite von 2,4 bis 3,4 m auf der Nordseite der Bülowstraße.
Bewertung:
Positiv: Die Radverkehrsanlage ist geschützt, so dass der motorisierte Verkehr davon abgehalten wird, dort falsch zu parken.
Negativ: Die Breite der Radverkehrsanlage unterschreitet die Vorgaben für Zweirichtungsradwege (4,0 m). Abbiegende Radfahrende aus der Bülowstraße (Ost) in die Blumenthalstraße treffen auf eine spitze Sperrflächenecke, für sie fehlt der Fahrweg. Für den die Bülowstraße querenden Fußverkehr gibt es zu wenige sichere Querungsstellen. Die subjektive Sicherheit für Radfahrende ist nicht allzu hoch, da insbesondere in der Fahrtrichtung West nach Ost an den Knoten die Gefahr besteht, vom einmündenden motorisierten Verkehr „übersehen“ zu werden.
Fazit: Zum temporären Testen ist der Zweirichtungsradweg sicher geeignet. Aber: Die Ziele des Mobilitätsgesetzes und Vorgaben für die Radverkehrsplanung sind mit der temporären Anlage in diesem Abschnitt nicht erfüllt. Sie sollte für die endgültige Anlage weiterentwickelt werden.
Bülowstraße Nordseite zwischen Steinmetzstraße und Potsdamer Straße
Art und Schutz: Temporärer (teilweise mit Baken geschützter) Radfahrstreifen mit einer Breite von 2,5 m bis 2,8 m
Bewertung und Fazit:
Positiv: Die Führungsform (geschützter Radfahrstreifen) und die Breite sind sehr gut und entsprechen den Vorgaben. Die Anlage ist auch für stärkere Radverkehrsströme ausreichend bemessen. Die Sichtbeziehungen an den Knoten vom und auf den Radverkehr sind gut. Die subjektive Sicherheit ist für Radfahrende hoch.
Noch zu verbessern: Die Oberfläche ist zwar aus Asphalt, aber durch früher hier parkende Fahrzeuge leicht uneben. Die Lichtsignalanlagen sind nicht für den Radvorrang optimiert, damit fehlt eine wichtige Randbedingung für das Radvorrangnetz, um kurze Reisezeiten zu erreichen. Am Knoten Potsdamer Straße sind die Querungsbedingungen für den Fußverkehr bedingt durch die breiten Fahrbahnen nicht gut.
Bülowstraße Nordseite zwischen Potsdamer Straße und Nollendorfplatz
Art und Schutz: Geschützte Radfahrstreifen mit einer Breite von 2,5 m
Bewertung und Fazit:
Positiv: Die Führungsform (geschützter Radfahrstreifen) und die Breite sind sehr gut und entsprechen den Vorgaben. Die Anlage ist auch für stärkere Radverkehrsströme ausreichend bemessen. Die Sichtbeziehungen an den Knoten vom und auf den Radverkehr sind gut. Die subjektive Sicherheit ist für Radfahrende hoch. Die Asphaltoberfläche wurde saniert – sehr gut. Für den Fußverkehr bestehen kurze und gute Querungsmöglichkeiten an Lichtsignalanlagen (Aber von uns nicht geprüft: Können beide Fahrbahnen in einem Zuge überquert werden).
Noch zu verbessern: Die Lichtsignalanlagen sind nicht für den Radvorrang optimiert, damit fehlt eine wichtige Randbedingung für das Radvorrangnetz, um kurze Reisezeiten zu erreichen.
Nollendorfplatz Nordseite
Art und Schutz:
Radverkehr von Bülowstraße zur Kleiststraße: Ungeschützter Radfahrstreifen mit einer Breite von 2,5 m und Querung der abbiegenden motorisierten Verkehrs von Bülowstraße (Ost) zur Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße
Radverkehr von Bülowstraße zur Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße: Geschützter Radfahrstreifen mit einer Breite von 2,5 m
Radverkehr von Bülowstraße zur Maaßenstraße: Nur durch indirektes Linksabbiegen hinter dem Knoten möglich.
Bewertung und Fazit:
Positiv: Die Anlage ist auch für stärkere Radverkehrsströme ausreichend bemessen. Die Sichtbeziehungen an den Knoten vom und auf den Radverkehr sind gut. Die Asphaltoberfläche wurde saniert – sehr gut. Für den Fußverkehr bestehen kurze und gute Querungsmöglichkeiten an Lichtsignalanlagen (Aber von uns nicht geprüft: Können alle Fahrbahnen in einem Zuge überquert werden).
Noch zu verbessern: Die Lichtsignalanlagen sind nicht für den Radvorrang optimiert, damit fehlt eine wichtige Randbedingung für das Radvorrangnetz, um kurze Reisezeiten zu erreichen.
Kritisch sehen wir das Beibehalten der getrennten Rechtsabbiegefahrbahn für den motorisierten Verkehr aus der Bülowstraße zur Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße. Die Abbiegegeschwindigkeit des motorisierten Verkehrs ist bedingt durch den großen Radius hoch. Der Radverkehr von der Bülowstraße zur Kleiststraße wird dadurch gefährdet. Zwar rufen Roteinfärbung der Radfurt und Warnzeichen den abbiegenden motorisierten Verkehr zur Vorsicht auf, aber man beobachtet vor Ort dennoch hohe Abbiegegeschwindigkeiten, Behinderungen und Gefährdungen. Die getrennte Rechtsabbiegefahrbahn sollte zurückgebaut werden. Der gewonnene Platz sollte für den Fußverkehr, für Stadtgrün u. dgl. verwendet werden.
Kritisch sehen wir auch die fehlende Anbindung der Else-Lasker-Schüler-Straße an die Radverkehrsanlagen auf der Bülow-, Kleist- und Maaßenstraße.
Kleiststraße zwischen Nollendorfplatz und Courbièrstraße
Art und Schutz: Westlich vom Nollendorfplatz beginnt zunächst ein 1,8 m breiter Radfahrstreifen in Mittellage, rechts davon ein überbreiter Bussonderfahrstreifen in einer Bushaltestelle, später ein ungeschützter, dann im Hauptteil ein geschützter Radfahrstreifen mit einer Breite von 2,5 m.
Bewertung und Fazit:
Positiv: Die Führungsform geschützter Radfahrstreifen und die Breite sind sehr gut und entsprechen den Vorgaben. Dort ist die Anlage ist auch für stärkere Radverkehrsströme ausreichend bemessen. Die Sichtbeziehungen an den Knoten vom und auf den Radverkehr sind gut. Die subjektive Sicherheit ist für Radfahrende hoch. Die Asphaltoberfläche wurde saniert – sehr gut. Für den Fußverkehr bestehen die vorhandenen Querungsmöglichkeiten an Lichtsignalanlagen über große Fahrbahnbreiten – nicht optimal. (Nicht von uns geprüft: Können beide Fahrbahnen in einem Zuge überquert werden).
Noch zu verbessern: Die Lichtsignalanlagen sind nicht für den Radvorrang optimiert, damit fehlt eine wichtige Randbedingung für das Radvorrangnetz, um kurze Reisezeiten zu erreichen.
Kleiststraße zwischen Courbièrstraße und An der Urania
Art und Schutz: Geschützter Radfahrstreifen mit einer Breite von 2,5 m, dann Wechsel zu Schutzstreifen von 1,9 m Breite, dann hört die Radinfrastruktur einfach auf. Dann kurzer Bussonderfahrstreifen und an der Kreuzung An der Urania Angebotsstreifen.
Bewertung und Fazit:
Positiv: Die Führungsform geschützter Radfahrstreifen und die Breite dort sind sehr gut und entsprechen den Vorgaben. Dort ist die Anlage ist auch für stärkere Radverkehrsströme ausreichend bemessen. Die Sichtbeziehungen an den Knoten vom und auf den Radverkehr sind gut. Die subjektive Sicherheit ist für Radfahrende hoch. Die Asphaltoberfläche wurde saniert – sehr gut.
Schutzstreifen und das Fehlen jeglicher Radinfrastruktur vor der Kreuzung An der Urania finden nicht unsere Zustimmung, insbesondere weil VIER Fahrstreifen für den motorisierten Verkehr dieser Fahrtrichtung links unangetastet blieben. Hier wäre Platz für eine breite und durchgehende Radinfrastruktur vorhanden.
Für den Fußverkehr bestehen die vorhandenen Querungsmöglichkeiten an Lichtsignalanlagen über große Fahrbahnbreiten – nicht optimal. (Nicht von uns geprüft: Können beide Fahrbahnen in einem Zuge überquert werden).
Auch noch zu verbessern: Die Lichtsignalanlagen sind nicht für den Radvorrang optimiert, damit fehlt eine wichtige Randbedingung für das Radvorrangnetz, um kurze Reisezeiten zu erreichen.
Das Ist (Teil 2): Die Fahrtrichtung von West nach Ost
Kleiststraße und Bülowstraße von An der Urania bis Steinmetzstraße
Diese Radverkehrsanlagen sind noch nicht fertiggestellt. Wir ergänzen den Beitrag später.
Bülowstraße Südseite am Knoten Steinmetzstraße
Art und Schutz:
Für den Radverkehr Richtung Zentrum „Mitte“ über Dennewitzstraße und Gleisdreieckpark wurde ab Knoten Steinmetzstraße ein temporärer Zweirichtungsradfahrstreifen angelegt. Dazu muss man – von Westen kommend – am der Lichtsignalanlage Steinmetzstraße links abbiegen, dazu den Bettelknopf drücken und länger warten. Dann passiert man unter dem U-Bahnhof eine Verkehrsfläche beschildert als Fußweg Fahrräder frei. Die Bettelampel über die nördliche Fahrbahn ist nicht für den Radverkehr optimiert, man wartet erneut. Bei Grün biegt man in den Zweirichtungsradfahrstreifen nach rechts ab.
Bewertung:
Führungsform und Breite der Radverkehrsanlage entsprechen nicht den Vorgaben für das Vorrangnetz. Das Betteln und die Wartenzeiten an der Lichtsignalanlage sind dem Vorrangnetz ebenso unwürdig.
Fazit: Zum temporären Testen ist der Zweirichtungsradweg sicher geeignet. Aber Die Ziele des Mobilitätsgesetzes und Vorgaben für die Radverkehrsplanung sind mit der temporären Anlage in diesem Abschnitt nicht erfüllt. Sie sollte für die endgültige Anlage weiterentwickelt werden.
Für die weitere Beschreibung der Radverkehrsanlagen Richtung Osten schaue oben im Teil 1 nach, dort haben wir die Zweirichtungsradfahrstreifen gleich für beide Fahrtrichtungen beschrieben und bewertet.