Wir setzen uns als Projekt von Changing Cities e.V. für eine Mobilitätswende und menschenfreundlichen Verkehr im Bezirk Tempelhof-Schöneberg ein. Alle sollen die Möglichkeit haben, sicher und entspannt mit dem Rad zu fahren und damit auch über eine flexible, preiswerte und selbstbestimmte Alternative zum Auto verfügen. Dafür haben wir ein Mobilitätsgesetz erkämpft, das einerseits Qualitätsvorgaben für gute Radwege enthält, andererseits aber auch ein flächendeckendes Fahrradnetz, so dass tatsächlich auch alle Ecken in der Stadt gut angebunden sind. Dazu gehören unter anderem
- direkte Radverbindungen (Radschnellwege), damit Pendelnde zwischen Stadtrand und Innenstadt Radfahren können
- Radwege an allen Hauptstraßen, weil das die umwegfreien Wege sind, die auch viele Geschäfte und lokale Zentren erschließen
- ein Netz aus Fahrradstraßen, das soziale Einrichtungen, Schulen und die Wohnviertel erreicht.
Letztlich soll damit für den Radverkehr das nachgeholt werden, was es schon längst für den Autoverkehr und den ÖPNV gibt.
Trotzdem werden in den letzten Monaten Widerstände gegen dieses wichtige Vorhaben erzeugt. Vor allem die CDU im Bezirk ist aktiv, um lokal Gegenaktionen zu befördern. Das hatten wir bereits gesehen beim Tempelhofer Damm, noch einmal besser bei der Handjerystraße, in der Boelckestraße und dieses Mal erneut in Mariendorf. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak und sein Wahlkreisbüro, der hiermit nicht Bundespolitik, sondern vor allem Lokalpolitik macht.
Inzwischen ist ein klares Muster erkennbar: Mit Wurfpost aus dem Bundestagsbüro werden teils wahrheitswidrig Ängste geschürt. Die suggestiven Schreiben sind mit einer Umfrage versehen und sollen zurück an das Bundestagsbüro geschickt werden – inklusive Kontaktangaben, für die es keine Information gibt, zu welchem Zweck sie gesammelt und wie sie verarbeitet werden. Jedenfalls entstand nach derartigen Umfragen in der Handjerystraße eine Bürgerinitiative zur Verhinderung der dort lange geplanten Fahrradstraße. Eine solche Bürgerumfrage diente in der Boelckestraße dazu, den bereits vergebenen Bau von Radwegen so zu verändern, dass die Vorgaben des Mobilitätsgesetzes missachtet werden.
In der Mariendorfer Kurfürstenstraße sollen die Anwohnenden nun beantworten, ob sie Bestandteile für sichere Radverkehrsanlagen im Mobilitätsgesetz ablehnen – obwohl diese dort gar nicht geplant sind. Entsprechend dem Credo der CDU, Radverkehr vor allem über die Nebenstraßen abzuwickeln, ist die Nebenstraße Kurfürstenstraße auch Teil des Vorrangnetzes. Faktenwidrig wird aber behauptet, diese Straßen erhielten Radwege, die mit Pollern geschützt und mindenstens 2,5 Meter breit sein müssten. Tatsächlich sind in solchen Nebenstraßen in Tempo-30-Zonen rechtlich gar keine separaten Radwege zulässig und der Bezirk hat in dieser Straße entsprechend auch bislang überhaupt nichts derartiges geplant.
Gewarnt wird dort aber dennoch davor, dass es dort Berufsverkehr, Staus und ÖPNV-Behinderungen geben soll. Wir fragen uns: Welche Buslinie soll das sein? Dort fährt kein Bus. Und warum soll eigentlich in dieser Wohnstraße Rücksicht auf den Berufsverkehr genommen werden? Der soll ja eigentlich aus Tempo-30-Zonen verdrängt werden.
Tatsächlich wird mit dieser Aktion einmal mehr deutlich, dass die CDU-Vertreter*innen aber auch gar nichts für den Radverkehr übrig haben: Auf der Boelckestraße gibt es statt baulich geschützter Radwege nun Radverkehrsanlagen, die Autofahrende zu regelwidrigem Befahren und Halten einladen. Immer wieder ist von dieser Partei zu hören, dass der Radverkehr über die Nebenstraßen abgewickelt werden soll. Aber auch auf Nebenstraßen wie der Handjerystraße und jetzt der Kurfürstenstraße gilt für die CDU: Die Belange des Autoverkehrs haben selbstverständlich auch dort Vorrang. Denn jede Maßnahme für den Radverkehr, bei der Flächen anders genutzt werden sollen, wird als Verdrängung anderer Verkehrsmittel aufgeblasen. Und das gehe ja gar nicht. Faktisch muss so der Radverkehr das Stiefkind im Berliner Verkehr bleiben – mit den entsprechenden Folgen für Umwelt und Sicherheit.
Systematisch wird durch das Wahlkreisbüro von Jan-Marco Luczak eine Politik des „Nicht in meinem Vorgarten“ betrieben: An allen potentiellen Stellen für Radverkehrsprojekte werden Anwohnende mit einseitigen Postwurfsendungen angeschrieben und verängstigt. Die logischerweise folgende Einseitigkeit bei den Antworten wird genutzt, um zeitgemäße Radverkehrsprojekte zu verhindern. Es gibt zwar immer die Beteuerung, „auch“ etwas für den Radverkehr tun zu wollen. Aber das ist eine inhaltsleere Floskel: Wo der Zweck von Radverkehrsprojekten darin liegt, dass sie den Autoverkehr nicht stören, bleibt ein zusammenhängendes und flächendeckendes Radwegenetz ebenso auf der Strecke wie die dafür nötigen Qualitäts- und Sicherheitsstandards. Es gibt von der CDU bislang nur Vorschläge, was sie beim Radverkehr nicht machen möchte. Wie ungeübten und unsicheren Menschen Fahrradfahren ermöglicht werden soll, dazu gibt es keine Aussage – und so bleibt allein eine destruktive Dagegenpolitik übrig. Die nötigen CO₂-Minderungen im Berliner Verkehr können so jedoch nicht erreicht werden. Die Senkung der Unfallzahlen im Verkehr auch nicht.