Am 11.06.2021 demonstrierten wir zusammen mit der ADFC-Stadtteilgruppe Tempelhof für Radverkehrsanlagen auf der Marienfelder Allee im speziellen und gegen das langsame Vorankommen von Radverkehrsprojekten in ganz Berlin. Lest hier unseren Redebeitrag:
Wir demonstrieren ja heute gegen die Langsamkeit der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimanschutz (SenUVK) bei Radverkehrsprojekten allgemein und am Beispiel der Marienfelder Allee. Ich möchte Euch einen Überblick geben,
- was sind gesetzlich vorgeschriebene Ziele – das SOLL –,
- was wurde erledigt – das IST – und
- was ist zu tun.
Das soll Euch auch helfen, jetzt im Wahlkampf drängende Fragen an die Kandidatinnen und Kandidaten zu stellen und von Ihnen Konzepte und Lösungen zu verlangen.
Das SOLL ist im Mobilitätsgesetz (MobG) formuliert. Es gilt seit Juli 2018 und schreibt einen systematischen und umfassenden Ausbau der Radinfrastruktur vor.
Nun schauen wir auf einzelne Punkte:
Netzplan für das Berliner Radverkehrsnetz
Was ist das?
- Der Netzplan beschreibt das Berliner Radverkehrsnetz, wie es bis zum Jahr 2030 geschaffen werden soll.
- Der Netzplan ist praktisch eine Landkarte.
- Darin sind Radschnellverbindungen, das Vorrangnetz, die Radverkehrsanlagen an Hauptverkehrsstraßen und das Ergänzungsnetz eingetragen.
Wer ist verantwortlich?
- SenUVK
SOLL?
- Der Netzplan sollte bis zum Juli 2019 fertiggestellt werden.
IST?
- Der Netzplan ist aktuell nicht fertiggestellt.
- 2 Jahre Fristüberschreitung
- Ein erster Entwurf des Netzplanes wurde mit Bezirken und Verbänden im September 2020 diskutiert. Sie gaben ca. 1000 Hinweise, Kritiken und Änderungswünsche, welche SenUVK zunächst nur dokumentierte. Ob sie eingearbeitet und beachtet werden, ist offen.
Fazit und Aufgabe:
- Hinweise einarbeiten, Netzplan zügig fertigstellen!
Radverkehrsplan
Was ist das?
- Der Radverkehrsplan benennt alle Projekte, die Jahresziele bis 2030 und definiert die Qualitäten der Radverkehrsanlagen.
- Ist wichtig, um zu wissen, was wann geplant und gebaut werden soll.
Wer ist verantwortlich?
- SenUVK
SOLL?
- Der Radverkehrsplan sollte bis zum Juli 2020 fertiggestellt werden.
IST?
- Der Radverkehrsplan ist nicht fertiggestellt.
- 1 Jahr Fristüberschreitung
Fazit und Aufgabe:
- Radverkehrsplan im Entwurf vorlegen, diskutieren und zügig fertigstellen.
Radschnellverbindungen
Was ist das?
- Radschnellverbindungen verbinden wichtige Quell- und Zielbereiche mit großen Potentialen über große Entfernungen.
- Sie besitzen den höchsten Qualitäts- und Ausbaustandard, z. B. Zweirichtungsradweg mit 4 m Breite.
Wer ist verantwortlich?
- InfraVelo GmbH – eine landeseigene Gesellschaft (Aufsicht SenUVK)
SOLL?
- Bis 2030 sollen mindestens 100 km Radschnellverbindungen errichtet werden.
- Bis Ende 2020 sollten 10 Machbarkeitsstudien für die 10 Radschnellverbindungen fertiggestellt sein.
IST?
- 8 von 10 Machbarkeitsstudien sind abgeschlossen.
- 2 Machbarkeitsstudien sind nicht fertig.
Fazit und Aufgabe:
- Machbarkeitsstudien zügig abschließen, Vorplanung beginnen und Planung beschleunigen.
Vorrangnetz
Was ist das?
- Im Vorrangnetz sind Radverbindungen mit besonderer Bedeutung über mittlere Entfernungen.
- Mittlerer Qualitäts- und Ausbaustandard z. B. Radweg oder geschützter Radfahrstreifen mit einer Regelbreite von 2,5 m
Wer ist verantwortlich?
- Viele…
- SenUVK Abteilung IV für die Planung,
- Bezirke für die Ausschreibung, Bauausführung
- (außerdem Alliander bei LSA und SenUVK Abteilung V bei Ingenieurbauwerken)
SOLL?
- Die Lage des Vorrangnetzes wird mit dem Netzplan für das Berliner Radverkehrsnetz festgelegt, der bis Juli 2019 fertiggestellt sein sollte. Derzeit stehen im Entwurf 772 km Vorrangnetz drin.
- Danach sollte das Vorrangnetz schrittweise, aber bevorzugt geplant und errichtet werden, so dass es bis zum Jahr 2030 fertiggestellt ist.
IST?
- Ergebnis ist gleich Null. Weil der Netzplan nicht fertig ist, wurde keine Infrastruktur des Vorrangnetzes geplant und gebaut.
Fazit und Aufgabe:
- Netzplan fertigstellen und zügig Abschnitte des Vorrangnetzes planen und bauen, in den nächsten 9 Jahren bis 2030 mind. 85 km je Jahr
Radverkehrsanlagen an Hauptverkehrsstraßen
Was ist das?
- Hauptverkehrsstraßen sind solche, wie wir hier sehen. Sie sind im übergeordneten Straßennetz definiert, ca. 1400 km lang
- An allen Hauptverkehrsstraßen müssen sichere und breite Radverkehrsanlagen errichtet oder vorhandene verbessert werden.
- Mittlerer Qualitätsstandard, z. B. Radweg oder geschützter Radfahrstreifen mit 2,3 m Breite
Wer ist verantwortlich?
- Viele…
- SenUVK Abteilung IV für die Planung,
- Bezirke für die Ausschreibung, Bauausführung
- (außerdem Alliander bei LSA und SenUVK Abteilung V bei Ingenieurbauwerken)
SOLL?
- Bis 2030 sind auf 1400 km Straßenlänge beidseitig Radverkehrsanlagen zu errichten oder verbessern. (weil beidseitig also 2.800 km lang)
IST?
- Im Jahr 2020 wurden berlinweit nur 14 km Radverkehrsanlagen an Hauptverkehrsstraßen neugebaut oder deutlich verbessert. Das ist ca. 1/20 des Solls für die Jahresscheibe 2020.
- Rechnet man die temporären Popup-Radverkehrsanlagen mit ein, erhält man 40 km im Jahr 2020, das ist ca. 1/6 des Solls für die Jahresscheibe 2020.
Fazit und Aufgabe:
- Planen und Bauen muss um den Faktor 6 bis 20 beschleunigt werden!
Einschub für den Bezirk Tempelhof-Schöneberg:
- Hier sind wir um den Faktor 30 zu langsam!
Geschäftsprozesse für das Planen
Das Planen einer Radverkehrsanlage ist in Berlin besonders umständlich und langdauernd. Zahlreiche Beteiligte werden – teils mehrfach – einbezogen. Die konkrete Verantwortung ist oft geteilt oder unklar. Eine durchgängige und einheitliche Projektleitung an einer Stelle fehlt.
Beispiel Hauptverkehrsstraße:
- Verantwortlich für das Planen auf der Fahrbahn: SenUVK Abteilung IV,
- Verantwortlich für das Planen von Rad- und Gehwegen: Bezirke Fachbereich Straßen
- Verantwortlich für die Ausschreibung und Bauausführung: egal ob Fahrbahn und Rad- und Gehwege: Bezirk Fachbereich Straßen
- Verantwortlich für die Planung an Kreuzungen mit LSA: Alliander
- Verantwortlich für die Planung von Verkehrsanlagen auf Ingenieurbauwerken: SenUVK, Abteilung V
SOLL: Es wäre geboten, EINE verantwortliche Einheit für die Projektleitung einzurichten, die Schnittstellen zu reduzieren und die Prozesse zu verkürzen.
IST: Die Geschäftsprozesse wurden in der aktuellen Legislaturperiode nicht vereinfacht und verkürzt.
Fazit und Aufgabe:
- Planungsprozesse vereinfachen,
- Eine verantwortliche Einheit für die großen Radprojekte.
Radverkehrsanlage an der Marienfelder Allee
Was ist das?
- Marienfelder Allee ist eine Hauptverkehrsstraße, derzeit ohne Radverkehrsanlagen
Wer ist verantwortlich?
- Viele…
- SenUVK Abteilung IV für die Planung,
- Bezirke für die Ausschreibung, Bauausführung
- Alliander bei LSA
SOLL?
- Nach MobG gehören hier geschützte Radfahrstreifen oder Radweg mit einer Regelbreite von 2,3 m hin.
IST?
- 2015 Vermessung, Planungsbeginn
- 2017 Planung mit Schutzstreifen und ungeschützten Radfahrstreifen, nicht MobG-konform
- 2018 – 2021 Projekt dümpelt vor sich hin, wenige kleine Planungsschritte,
- neue Diskussion, ob gar keine Radverkehrsanlage dorthin soll, sondern nur Bussonderfahrstreifen.
Fazit und Aufgabe:
- Die Planung ist zügig und MobG-konform abzuschließen und es ist zu bauen.
- Das Aufweichen der Qualitätsstandards nach MobG muss verhindert werden.
Ich komme zum Schluss: Die letzten 3 Jahre mit MobG waren verschenkte Jahre, die Bilanz ist außerordentlich schlecht.
Stellt Euren Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl klar die Fragen und verlangt präzise Antworten zur nächsten Legislatur:
- Netzplan und Radverkehrsplan fertigstellen
- Planungsprozesse vereinfachen
- Klare Verantwortlichkeiten und Strukturen
- Radschnellverbindungen, Vorrangnetz und RVA an Hauptstraßen bauen
- Marienfelder Allee: Radverkehrsanlagen errichten!
Das fordern wir auch hier auf unserer Demonstration.
Und passen wir gemeinsam auf: Es gibt starke Kräfte allerorten, welche die Ziele des MobG aufweichen und stark reduzieren wollen. Stellen wir uns entschlossen dagegen!